Wir alle haben es vermutlich schon irgendwann erlebt, dass uns jemand bewusst oder unbewusst sehr verletzt hat. Vor ein paar Jahren hatte ich ein sehr prägendes Erlebnis dazu: Eine andere, mir nahestehende Person, hatte aus purer Feigheit die Freundschaft von einer guten Freundin und mir aufs Spiel gesetzt. Den vollen Umfang dessen, wie sehr mich das verletzt hat, hatte sie vermutlich gar nicht ganz überrissen. Als ich davon erfuhr lagen ein Ozean sowie etliche weitere Kilometer zwischen uns. Aus u.a. diesem Grund konnte ich das nicht auf angebrachtem Weg ansprechen.
So saß ich also da – verletzt, wütend und traurig, und von eben diesen Gefühlen ganz eingenommen. Und das, ganz ohne es ihr zeigen zu können. Mein Motiv hierbei war vor allem der Wunsch, dass sie bestürzt ist, Reue zeigt und sich entschuldigt… und irgendwie, zu einem gar nicht so geringen Teil auch, dass sie sich schlecht fühlt dafür.
Echte Vergebung
Irgendwann habe ich jedoch eine Sache verstanden, aufgrund dessen ich rückblickend für diese Situation dankbar bin. Ich wusste, dass Vergeben der Part ist, der in dieser Situation mir zufällt. Schließlich habe ich erkannt: Eine Entschuldigung ist keine Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muss, um vergeben zu können. Ob ich vergebe oder nicht, diese Entscheidung liegt ganz und gar auf meiner Seite. Selbstverständlich macht es eine Entschuldigung einfacher, doch echte Vergebung ist an keinerlei Bedingungen geknüpft.
Was ich an dieser Stelle kurz noch klarstellen möchte: Mit Vergeben meine ich kein Überspielen, Runterschlucken oder Insichhineinfressen. In Wikipedia wird Vergebung sehr treffend wie folgt beschrieben: „Vergebung ist, […] ohne irgendeine Reaktion des Anderen (etwa ein Schuldeingeständnis, Reue, Entschuldigung) zu erwarten oder Gerechtigkeit […] zu fordern“.
Als ich diese Erkenntnis schließlich in die Tat umsetzte und mich entschied zu vergeben, war ich plötzlich frei. Frei davon, mich im Kopf ständig nur darum zu drehen. Frei, um es zu verarbeiten und abzuschließen. Ja, ich habe erlebt: Vergeben macht frei!
Gottes Vergebung
Außerdem durfte ich auch ein Stück weit in meiner Erkenntnis dessen wachsen, was es für Gott bedeuten muss, mir zu vergeben – in den Dingen, die ich unbewusst oder auch bewusst tue. Jedes Jahr „feiern“ wir Karfreitag, weitaus öfter auch das Abendmahl. Das wird so schnell zu einer Gewohnheit oder irgendwie Normalität, über die man manchmal gar nicht mehr so sehr nachdenkt. Doch es steht dafür, dass er mir vergab und dafür starb, damit ich Gemeinschaft mit ihm haben kann, noch bevor ich überhaupt um Vergebung bitte bzw. bitten konnte. Bei manchem vielleicht sogar nie bitten werde – was Gott jedoch schon damals wusste. Ist das nicht beeindruckend, wenn man darüber nachdenkt?
In dem englischsprachigen Buch „Living the Cross Centered Life“ von C. J. Mahaney schreibt Mr. Mahaney in etwa “Wir alle wissen, dass wir irgendwann sterben müssen. Doch Jesus wusste wann, er wusste wie – und er wusste weshalb!“
Vergebung Praktisch
Was bringt uns diese Erkenntnis im Alltag? Solch ein Erlebnis, wie ich es oben beschrieb, haben wir glücklicherweise nicht täglich. Und doch gibt es immer wieder Gelegenheiten, in denen wir vor der Wahl stehen ob wir vergeben oder nicht. Meistens begegnet sie uns nicht gesondert, sondern in Kombination mit Anderem wie Geduld, Freundlichkeit und Selbstbeherrschung.
Wie reagiere ich, wenn jemand mir (vermutlich) bewusst schadet? Wie, wenn mein Kind mich beißt?
Selbstverständlich sind wir meist so „erwachsen“, dass wir uns nicht rächen und daraufhin zurückbeißen oder rumbrüllen. Doch auch (vorerst) ruhigere Alternativen zur Vergebung, wie es zu Schlucken bis man dann doch explodiert, den anderen zu ignorieren oder durch ähnliches Verhalten gleichzuziehen, sind keine Lösungen, die langfristig Frieden und ein glückliches Miteinander bringen. Ich denke, um hier richtig reagieren zu können, benötigt jegliche richtige Reaktion als Grundlage die Vergebung.
Kindern Vergebung (be)greifbar machen
Bezogen auf unseren Alltag mit Kindern finde ich es wichtig, ihnen direkt in der Praxis das System von Konsequenz als Folge eines (ungehorsamen) Handelns, Entschuldigen und Vergeben nahe zu bringen. Natürlich aber immer dem Alter entsprechend und der Situation angemessen!
Bei uns, mit einem 1,5-jährigen Kind, sieht die Strafe aktuell so aus, dass er eine sogenannte Auszeit bekommt und z.B. 1 Minute auf einem Stuhl sitzen muss (ohne Spielzeug o.ä.!). Zum Entschuldigen gehört eine Umarmung, Bussi oder Arm streicheln (entsprechend des Beziehungsgrades). Vergeben verdeutliche ich in Form dessen, dass ich erkläre, dass es jetzt wieder gut ist.
So viel zu dem Thema von meiner Seite. Zum Abschluss noch ein Filmtipp, in welchem man die Kraft der Vergebung, wie ich finde, auch sehr schön sehen kann (auch wenn es nicht das Hauptthema des Films ist): „October Baby“. Eine Jugendliche erfährt, dass ihre Mutter sie abtreiben wollte – aufgrund der Frage nach ihrer Herkunft macht sie sich auf die Suche nach ihr und steht letztendlich vor der Frage, ob sie ihrer Mutter DAS vergeben kann…
[FSK 16 Jahre – jedoch nur, da der Film die Thematik der Abtreibung behandelt.]
Wenn ihr noch eine Anmerkung oder Ergänzung zu dem Thema dieses Blogartikels habt, lasst es uns gerne als Blogbeitrag oder per E-Mail, öffentlich oder auch privat, wissen! Wie bringt ihr euren Kindern bei was Vergebung ist?
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